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Lerne Fliegen

Tja, das sind große Worte gelassen ausgesprochen! … Ja wie denn?
Wie fängt man das um Himmels Willen an?

Gründlich wie wir nun mal sind, kaufen wir uns erstmal diverse „Fluganleitungen“. Lernen aus vielversprechenden Büchern und DVDs brav alles über die Beschaffenheit der Luft, berechnen das Risiko abzustürzen und erkundigen uns aber sowas von genau, wie eine Sicherung mit Fallschirm funktioniert. Dann fragen wir – damit auch wirklich nichts schiefgeht – sicherheitshalber noch bei einer Astrologin an, wann ein günstiger Tag zum Fliegen ist.

Ich kann mir gut vorstellen, dass Vogelkinder das bestimmt genauso machen! 

Doch nachdem wir dies alles durchdacht haben, jedes Detail unseres bevorstehenden Fluges gecheckt haben und die Theorie fast im Schlaf können, stellen wir fest, wir fliegen aber noch nicht. Kann zwar sein, dass wir wie wild mit den Flügeln schlagen und der Welt quasi androhen gleich zu fliegen, doch wir kleben immer noch am Boden. Haha … und was nun? Na Ok, vielleicht warten wir einfach auf die richtige Böe, dann wird’s schon klappen.

Ich habe von Leuten gehört, die immer noch auf die richtige Böe warten, also das kann´s auch nicht sein. Irgendwann kommt jeder von uns an den Punkt, an dem wir verstehen, was die größte Herausforderung beim Fliegen lernen ist: Wir müssen uns hingeben. Mit unserer ganzen Existenz müssen wir uns diesem Fall in das Element Luft hingeben. Wissend, vertrauend, dass wir getragen werden.

„Ein Vogel hat niemals Angst davor, dass der Ast unter ihm brechen könnte.
Nicht weil er dem Ast vertraut, sondern seinen eigenen Flügeln.“

Kommst du nicht zu mir, komme ich einfach

zu dir ... sagt die Angst

Auf meinem Flug hierher nach Griechenland, hatten wir ganz schöne Turbulenzen. Ich musste ein Gefühl erleben, das mir wirklich nicht behagte. Ich war angespannt und habe gemerkt, werde Angstschübe in mir hochkamen. Und dann dieses Gefühl der Ohnmacht, nichts machen zu können. Ich war der Bewegung der Luft einfach ausgeliefert. Hinzu kam noch die Anspannung der Menschen um mich herum. Es war erschreckend und interessant zugleich, meine Angst so körperlich zu fühlen. Meine Nachbarin musste ihre Angst damit kompensieren, dass sie einfach munter drauf los plapperte und mir und somit auch sich erzählte, dass sie eigentlich gar keine Angst hätte, aber dass sie dieses Gewackel eben einfach nicht mag. Basta!

3x kurz gelacht! Wer so stocksteif im Flieger sitzt hat keine Angst! Alles klar! Ich habe mich dann einfach auf meine Angst eingelassen. Habe gar nicht versucht, sie zu unterdrücken oder zu kontrollieren, denn das war ja gar nicht möglich. Ich habe sie einfach in ihrem ganzen Ausmaß da sein lassen. Und das ist ein Moment, der fordert deine ganze Wahrheit.

Ja, ich habe Angst! Verdammt viel Angst! Ich weiß nicht was passiert … ich habe keine Kontrolle …. was ist, wenn wir abstürzen? … wenn mein Leben vorbei ist?

Ich habe ganz tief geatmet. Mich mit meiner Angst verbrüdert und die Situation einfach so angenommen, wie sie ist. OK, nicht ganz freiwillig, aber ich habe die Einladung des Lebens angenommen. Mich einverstanden erklärt mit diesem Moment, auch wenn er mich aus meiner kontrollierten Deckung gelockt hat. Nun muss ich dazu sagen, für Vielflieger, war das wahrscheinlich ein kleiner Ruckler, der sie nicht mal von der Zeitung aufblicken lässt. Mich aber hat es erwischt, ich musste meiner Angst derart tief in die Augen schauen, dass es schon wieder gut war. Denn indem ich ihr in die Augen sah, ich sie nicht mehr leugnen konnte und wollte, sie in meinem Körper tobte, als hätte ich Brausepulver in meinen Adern, fand etwas Unerwartetes und gleichzeitig etwas Wunderbares statt.

Ich wurde ganz ruhig. Mein Körper beruhigte sich und ich merkte plötzlich wie die Atmosphäre „da draußen“ mir etwas erzählte. Ich konnte auf einmal sehen und hören, wie die Bewegungen der Luft ein Muster ergeben und eine Interaktion sind, mit allem was auf der Erde geschieht. Auch mit mir! Ich habe dann im Rhythmus der Luftschichten geatmet, habe meinen Widerstand aufgegeben und mich dem Unbekannten „da draußen“ einfach anvertraut. Es wurde augenblicklich ruhiger und fast zeitgleich waren wir durch die Wolkendecke durch. Es offenbarte sich ein Anblick auf eine fast himmlische Landschaft, wie ich sie noch nie gesehen habe. Eine Schönheit, ein Frieden, der mit Worten nicht zu beschreiben ist.

Als ich den Wunsch hatte, fliegen zu lernen, habe ich bestimmt nicht nach so einer Übung gefragt. Aber ich habe so auf sehr eindrucksvolle Weise erfahren dürfen, um was es wirklich geht. Das das Wichtigste, was du tun musst, um zu fliegen: dich durch deine Angst fallen lassen. Nicht theoretisch, nicht therapeutisch, nicht hypothetisch … ganz real, live und in Farbe!!!!

Das ist wahre Integration. So löst sich Angst wirklich auf - indem du ihr begegnest. Deinen Widerstand, sie vor der Tür zu lassen aufgibst und Sie als den anderen ungeliebten Teil deines Ichs endlich nach Hause holst.

Jede Vermeidungsstrategie verlängert nur dein Leiden. Denn das, was aufgelöst werden soll, kommt sowieso durch die Hintertür wieder in dein Leben. Also hier das Sekundencoaching für heute: face your fears und du bist schneller mit dem Margaritha in der Hängematte.

Das Leben bietet uns genug Möglichkeiten, in denen wir genau diese Flugübungen machen können. Der Angst und dem Schmerz nicht auszuweichen, sondern einfach dableiben. Atmen und dem Leben vertrauen, dass es genau die richtigen Übungen für uns bereithält. Übungen die selten leicht sind, aber immer heilsam.

Überall, wo das Leben ohne große Vorbereitung seine Hand ausstreckt und wir nicht selten ohne Netz und doppelten Boden entscheiden müssen, wartet mit Sicherheit ein sagenhafter Flug auf uns. Manchmal geht es um Kleinigkeiten, bei denen das Risiko überschaubar ist. Das sind die Warm Ups! Doch irgendwann lädt dich das Leben ein, bei den Fortgeschrittenen mitzumachen. Dann geht es um nicht weniger als dein Leben. Wenn du dann springen kannst, bist du frei! Deine Angst meinetwegen mit dabei und das Herz darf dir auch gern bis zum Hals schlagen, aber Hauptsache du springst.

„God places the best things in life on the other side of terror,
on the other side of your maximum fear."

Will Smith

© Sabine Häring, Dießen am Ammersee, www.life-rocks.de

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